So wirken Architektur und Interior Design auf unsere Emotionen
Architektur und Assoziationen – kann man allgemeine Aussagen treffen?
Jeder Mensch ist unterschiedlich beschaffen, hat seine eigene Wahrnehmung und die eigene Vorgeschichte. Kann man also die Empfindungen, die Gebäude und ihr Design in uns auslösen, wirklich pauschalisieren?
Innerhalb kultureller und geographischer Gruppen wurden bereits in zahlreichen Studien starke Übereinstimmungen bei der Wahrnehmung von architektonischen Faktoren nachgewiesen – zum Beispiel bei Farben. Sogar abseits dieser kulturell und geographisch übereinstimmenden Gruppen zeigen sich viele Gemeinsamkeiten: In einer Studie aus dem Jahr 2020 befragte man rund 4600 Menschen aus 30 Nationen auf sechs Kontinenten nach ihren Emotionen bei der Betrachtung von 12 Farben. Das Ergebnis: Während weltweit eine Einigung bei der Wahrnehmung von Rot (Liebe), Gelb (Freude) und Braun (wenig emotionale Verknüpfung) herrscht, gibt es auch Unterschiede. Diese sind meist kulturell bedingt. Ein Beispiel: Während in vielen Ländern die Farbe Weiß für Reinheit und Frieden steht, wird sie in China mit Trauer verbunden – bei Trauerfeiern wird dort weiße statt schwarzer Kleidung getragen. Auch die geographische Lage kann einen Einfluss auf die Farbwirkung haben. In wärmeren Klimazonen werden tendenziell eher hellere Farben bevorzugt, die Leichtigkeit und Frische symbolisieren, während Länder in kälteren Gebieten warme Farben bevorzugen, die Geborgenheit vermitteln.
Trotzdem können in der Architekturpsychologie Aussagen getroffen werden, die bei der Mehrheit zutreffen – unabhängig von der kulturellen, demographischen und individuellen Prägung. Bestimmte Farben, Formen, Texturen und auch Licht haben auf die meisten Menschen einen einheitlichen emotionalen Effekt, aus dem Rückschlüsse für effektive Architekturmaßnahmen geschlossen werden können.
Werden verschiedene Farben, Formen, Texturen und auch Lichtverhältnisse im Interior Design eingesetzt, haben sie einen ganz bestimmten emotionalen Effekt auf die meisten Menschen. (Fotos: Adrien Olichon, unsplash & Matheus Viana, pexels)
Diese Architektur-Komponenten lösen Emotionen aus
Es gibt viele Aspekte in der Architektur, die Emotionen auslösen und in ihrem Zusammenwirken eine bestimmte Atmosphäre schaffen. Dazu gehören unter anderem folgende:
Farben: Jede Farbe hat eine eigene psychologische Wirkung und löst in Kombination mit der Beleuchtung, Kontrasten und der Größe des Raumes verschiedene Stimmungen in uns aus. Warme Farben wie Rot, Gelb und Orange werden beispielsweise mit Freude und Leidenschaft assoziiert und eignen sich für Räume, in denen Energie gefördert werden soll – Küchen zum Beispiel.
Formen: Gerade Linien drücken Stabilität und Ordnung aus, während runde Formen ein Gefühl von Natürlichkeit und Harmonie vermitteln. Ein Raum mit vielen abgerundeten Wänden und Elementen begünstigt ein Gefühl von Geborgenheit, Gemütlichkeit und Entspannung.
Texturen: Die Art und Weise, wie sich ein Material oder eine Oberfläche anfühlt, führt zu unterschiedlichen Assoziationen – und damit auch zu emotionalen Verknüpfungen. Rauheit kann auch ein Gefühl von Abenteuer auslösen, glatte Texturen ein Gefühl von Stabilität und Kontrolle, glänzende Oberflächen hingegen vermitteln meist Moderne und Luxus.
Licht: Es gibt einen enormen Unterschied zwischen der Wirkung von natürlichem und künstlichem Licht, auch die Intensität spielt eine entscheidende Rolle. Während helles, natürliches Licht die Produktivität anreichert, sorgt schwache Beleuchtung für Entspannung und die Ausschüttung von Melatonin.
Die vielen verschiedenen Faktoren von Architektur und Interior Design machen die Gesamtwirkung auf den Betrachter aus. (Fotos: Luis Dalvan, pexels & Adrian Cuj, unsplash)
Architektur und Interior Design können mehr als nur Emotionen steuern
Architektur und Interior Design beeinflussen nicht nur unsere Emotionen, sondern auch viele weitere Aspekte. Dazu gehört unter anderem unser körperliches Wohlbefinden. Eine optimal gestaltete Umgebung kann uns helfen, gesund und produktiv zu bleiben, während eine ungünstig gestaltete Umgebung unser emotionales Wohl und unsere Gesundheit negativ beeinträchtigen kann. Doch was ist in diesem Kontext optimal und was nicht?
Als förderlich für unsere Gesundheit gelten unter anderem eine ausreichende Menge an natürlichem Licht, eine gute Belüftung, Grünpflanzen und der Einsatz von beruhigenden Farben – zum Beispiel Blau. Zahlreiche in Krankenhäusern durchgeführte Studien belegen diese Erkenntnis: Sie verglichen vor und nach der Umgestaltung der Innenräume das körperliche Wohlbefinden der Patientinnen und Patienten sowie deren durchschnittliche Aufenthaltsdauer. Die Ergebnisse zeigten, dass Patienten und Patientinnen in architekturpsychologisch geprägten Räumlichkeiten im Durchschnitt weniger Medikamente benötigten, unter weniger Stress litten und einen schnelleren Heilungsprozess durchliefen.
Da Architektur und Interior Einfluss auf unsere Stimmung nehmen können, ist es nur naheliegend, dass sie sich auch auf unser Verhalten auswirken. So lässt sich ein Zusammenhang zwischen der Raumgröße sowie -beschaffenheit und der Produktivität einer Person nachweisen. Apropos Produktivität: Architekturpsychologisch geprägte Räume können auch einen enormen Einfluss auf Bildungsprozesse haben. Eine angenehm gestaltete Lernumgebung, beispielsweise in Bildungsstätten, fördert eine konzentrierte und kreative Lernatmosphäre. Wussten Sie beispielsweise, dass der Einsatz von natürlichen Elementen – Pflanzen oder eine gute Landschaftsaussicht – Stress und Ablenkungen reduziert?
Ein perfekt abgestimmtes Interior Design entstammt den Bedürfnissen der Bewohner und schafft eine Wohlfühlatmosphäre. (Fotos: Kinga Cichewicz, unsplash & Pavel Danilyuk, pexels)
Architekturpsychologie im Alltag: Drei Praxisbeispiele
Jede Entscheidung, die bei der Gestaltung eines Gebäudes getroffen wird, hat psychologische Auswirkungen auf uns.
Büro: Einige Studien konnten belegen, dass eine architekturpsychologische Gestaltung der Arbeitsräume – zum Beispiel durch den Einsatz von Grünpflanzen – einen positiven Effekt auf die Konzentration, die Produktivität und das Wohlbefinden der Mitarbeiter haben.
Private Räume: Die eigenen vier Wände verraten viel über uns, denn sie entsprechen meist dem, was uns psychologisch anspricht. Darüber hinaus gibt es jedoch viele weitere architekturpsychologische Einflüsse, die bestimmen, wie wohl wir uns zu Hause fühlen. Auf manche haben wir einen Einfluss, auf andere wiederum weniger: Sind die Wohnräume beispielsweise mit vielen großen Fenstern für ausreichend Licht ausgestattet, bestenfalls mit Blick auf begrünte Flächen, steigert sich das psychologische Wohlbefinden.
Gefängnisse: Sie dienen vor allem dem Zweck der Rehabilitation. Insassen soll hierfür eine positive und beruhigende Umgebung geboten werden. Räume, die mit Rückzugsmöglichkeiten, hellem, natürlichen Licht und einer farbenfrohen Inneneinrichtung mit runden Elementen ausgestattet sind, werden diesem Vorhaben gerecht.
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Klassenzimmer mit einer mobilen Raumgestaltung und harmonischen Farben fördern die Kreativität (Foto: Gauto Auroram, unsplash)