Servitization in der Einrichtungsbranche
Servitization und die Zukunft des Handels
Serviceorientierung, After Sales, Kundenbindung – das alles sind bekannte Aspekte erfolgreicher Geschäftsmodelle. Im Zuge der Digitalisierung rücken diese Themen jedoch immer stärker in den Mittelpunkt und prägen einen Paradigmenwechsel weg vom Produkt und hin zur Lösung. So haben besonders in der digitalen Welt Service- und Abo-Modelle den Verkauf von physischer Hardware abgelöst. Statt eines wartungs- und kostenintensiven Servers bezahlen Kunden virtuellen Speicherplatz oder Rechenkapazität in der Cloud, die immer dem neuesten technischen Standard entspricht.
Und auch in anderen Bereichen setzt sich dieser Mind Shift durch: Zum Auto gibt es die Servicepauschale mit automatischen Software-Updates, zur Eigentumswohnung das individuell abgestimmte Komplettpaket mit Reinigung, Einkaufs- oder Parkservice. Unternehmen verkaufen keine Produkte mehr, sondern erfüllen die Bedürfnisse des Kunden durch eine individuell abgestimmte Gesamtlösung. Dieser Trend macht auch vor den Möbelherstellern nicht Halt.
Virtuelle Produkterlebnisse in der Einrichtungsbranche
Die weltweite Digitalisierung ist eine entscheidende Grundlage für innovative Geschäftsmodelle. Beim Thema Servitization führt die Reise weg vom klassischen – und oft austauschbaren – Produkt zu einem einzigartigen Dienstleistungsangebot. Denn natürlich sind maßgeschneiderte Regale keine Neuheit. Durchdachte digitale Planungstools für das persönliche Modulregal gibt es bis jetzt sehr wenige auf dem Markt. Entsprechende Anbieter wie MYCS oder Tylko feiern besonders auf Grund ihrer innovativen Konfiguratoren und einer optimalen User Experience große Erfolge. Noch einen Schritt weiter geht das Startup Foxbee , das eine umfassende Einrichtungsberatung als digitalen Service verkauft. Andere Anbieter wie Ikea oder Villeroy & Boch setzen auf Augmented Reality und helfen Kundinnen und Kunden mit ihren Tools maßgeblich, Einrichtungsträume in reale Traumeinrichtungen umzuwandeln.
Mit dem Fokus auf Nutzerfreundlichkeit und Produkterlebnis bieten diese Ansätze einen zukunftsorientierten Vorteil gegenüber klassischen Vertriebsstrategien. Neue digitale Touchpoints erweitern die Zielgruppe, verlängern die Customer Journey und stärken die Markenbindung. Damit sich diese Konzepte von einer reinen Kundenbindungsmaßnahme zur echten Servitization entwickeln, muss sich jedoch das bisherige Geschäftsmodell noch stärker ändern und über den Kauf des Produktes hinausgehen.
Die Digitalisierung bietet eine entscheidende Grundlage für innovative Servitization-Angebote, die Produkte in einzigartige Dienstleistungsangebote verwandeln. (Foto: John Schnobrich auf Unsplash)
Montageanleitung als digitales Serviceangebot: Watch & Build
Im B2B-Bereich wurde das Startup Watch & Build jüngst mit dem German Innovation Award 2022 ausgezeichnet. Das Berliner Unternehmen entwickelt leicht verständliche und anschauliche Montagevideos für Möbel- und Einrichtungshersteller mit zahlreichen innovativen Features. Neben Entwicklung, Produktion und Hosting der Videos bietet Watch & Build interaktive Kontextmenüs, dynamische Verlinkungen und integrierte After-Sales- und Cross-Selling-Module. Ausgerichtet auf die Hersteller werden hier auch die Endkunden durch ein umfangreiches Serviceangebot begeistert und bei der entspannten Möbelmontage angeleitet. Mit dieser Gesamtlösung aus einer Hand hat das Startup ein großes Potenzial, wie es auch die Jury des German Innovation Awards in ihrer Begründung sieht:
„Je komplexer ein Produkt ist, umso wichtiger ist eine gute Anleitung. Das verbessert die User Experience und auch die Hersteller/-innen selbst profitieren davon, da Reklamationen und Retouren reduziert werden und die Bereitschaft der Kundinnen und Kunden, Produkt und Marke weiterzuempfehlen, steigt.“
Das Startup Watch & Build bietet Herstellern aus der Möbelbranche ein umfangreiches Serviceangebot, durch das sich Endkunden begeistern und binden lassen. (Foto: Watch & Build)
Vom Hersteller zum Dienstleister mit hoher Nutzerfreundlichkeit
Rückt der Servicegedanke bei einem Produzenten in den Mittelpunkt, ändert sich die Perspektive grundlegend. Statt ein physisches Produkt mit Marketingstrategien zu verkaufen, müssen immaterielle Bedürfnisse erkannt und entsprechende Gesamtlösungen angeboten werden. Wer die Wünsche der Kundinnen und Kunden frühzeitig antizipiert, verkauft nicht nur Waren, sondern löst Probleme. Die daraus resultierende langfristige Bindung ermöglicht eine neue, zukunftsfähige Form der Wertschöpfung.
Im Zuge dieser Transformation sind hybride Geschäftsmodelle schon heute sehr erfolgreich. Denn das Product-as-a-Service-Konzept basiert im Grunde auf dem guten alten Mietmodell. Spezialisierte Firmen bieten die Rundumversorgung mit den neuesten Möbeltrends an, die lediglich auf Zeit gemietet statt gekauft werden – natürlich samt Einrichtungsberatung und digitalen Visualisierungen der kommenden Wohnwelten. Besonders im Elektronikbereich hat sich das Angebot bereits durchgesetzt: Kaffeemaschinen werden samt Wartungskonzept im Abo geleast und Waschmaschinenhersteller setzen auf Pay-per-Use.
Die Einrichtungsbranche wird nachziehen und neue, zukunftsfähige Business-Modelle mit außergewöhnlicher Nutzerfreundlichkeit entwickeln. Statt Sofas und Dekoration prägen vielleicht bald persönliche Dekorateure den Markt, die maßgeschneiderte Wohnideen anbieten. Und anstelle von einzelnen Objekten erhalten die Einrichtungsfans dann eine persönliche Einrichtungsberatung, die individuelle Wünsche erfüllt.
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