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Wie Natur die Architektur verändert

Mit Bionik zurück zu den Wurzeln

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Täglich begegnen wir Objekten, die von der Bionik inspiriert sind, ohne es vielleicht zu merken. Etwa der Klettverschluss an der Jacke, dessen Häkchen denen der Klette nachempfunden sind. Oder die Haftung eines Autoreifens – angelehnt an die Pfoten einer Katze. Doch nicht nur im kleinen Maßstab ist die Natur Ideengeber für so manche Innovation. Auch zahlreiche Bauwerke wurden bereits von ihrem Einfallsreichtum inspiriert. Wie Bionik die Architektur verändert und welche Chancen sich für eine nachhaltigere Zukunft daraus ergeben, lesen Sie in diesem Artikel.

Wabenfassade von The Broad in Los Angeles

Eine Außenfassade, inspiriert von der Wabenstruktur eines Bienenstocks: Bionik lässt Architektur mit Natur verschmelzen und bietet neue Möglichkeiten für nachhaltigere Bauweisen. (Foto: Julien Moreau, Unsplash)

Bionik in der Architektur – was steckt dahinter?

Bionik ist ein Kofferwort, zusammengesetzt aus BIOlogie und TechNIK. Gemeint ist die Nachahmung der Natur, um ihre Konstruktionen auf die Technik zu übertragen. Es geht darum, eine natürliche Funktion zu abstrahieren und sie zur Lösung einer Herausforderung heranzuziehen. Auch die Architektur macht sich die biologischen Baupläne zunutze, die die Evolution seit Abermillionen Jahren hervorbringt. Sei es in Form einer innovativen Fassadenverschattung, bei der die Blüten der südafrikanischen Paradiesvogelblume Ideengeber waren oder der Panzer einer Schildkröte, der bereits in den 1920er-Jahren als Vorbild für eine besonders tragfähige Dachkonstruktion ohne Stelzen diente. Das Ziel ist meist dasselbe: eine durchdachte Bauweise, die so viele Ressourcen wie möglich einspart.

3 Bauwerke – von Bionik inspiriert

Bionische Bauwerke mit Strahlkraft finden sich in einigen Metropolen der Welt. Wir haben drei Exemplare herausgepickt, die ihr Vorbild in der Welt der Flora und Fauna haben:

Eiffelturm, Paris: Zugegeben, steht man direkt davor, erinnert das Pariser Wahrzeichen nicht gerade an seinen Ideengeber. Oder denken Sie bei seinem Anblick etwa an einen menschlichen Oberschenkelknochen? Anatomisch gesehen, steckt das Geheimnis in dessen Innerem. Dort befinden sich unzählige Hohlräume, die durch klitzekleine Knochenbälkchen voneinander getrennt sind. Der Vorteil: Die Konstruktion ist leichter und dennoch stabil – genau wie beim Eiffelturm. Seine Stahlträger erfüllen denselben Zweck wie die Knochenbälkchen und sorgen für einen erstaunlichen Fun Fact: Würde man ihn einschmelzen, brächte er es auf eine Höhe von wenigen Metern.

Olympiazentrum, München: Optisch macht es hier sofort Klick. Das 74.800 m2 große Zeltdach des Münchener Olympiazentrums sieht wirklich wie ein Spinnennetz aus. Statt Spinnfäden sind es jedoch ineinander vernetzte Stahlseile, die von 58 Stahlmasten gespannt werden und das Bauwerk zu einem Prestigeprojekt in puncto Bionik in der Architektur machen. Der Grund, warum sich Spinnweben als Vorbild qualifiziert haben, ist ihre Strapazierfähigkeit, die selbst enormen Druck- und Zugkräften standhält.

Eastgate Center, Simbabwe: Ein Termitenhügel als Vorbild für ein riesiges Einkaufs- und Bürozentrum? Wer sich bei diesem Vergleich schwer tut, dem sei gesagt: Termiten verstehen es meisterhaft, ihren schwulstigen Bau zu belüften. Die Luftzirkulation findet über unzählige kleine Löcher statt, die warme Luft abgeben und kalte aufnehmen. Für Marc Pierce – den Architekten des Eastgate Center – das ideale Vorbild für sein Isolierungs- und Belüftungssystem. Statt vieler kleiner Löcher lässt er seinen Komplex über kleine Luftschächte und Schornsteine „atmen“, die so für eine natürliche Kühlung sorgen.

Innenansicht des Eiffelturms

Aufgebaut wie ein menschlicher Oberschenkelknochen: Der Eiffelturm besteht aus zig Stahlträgern und zählt zu den bekanntesten bionischen Bauwerken. (Foto: David Ortega, Pexels)

Bionik im Wohnungsbau?

Ein Großprojekt jagt das andere – aber was ist eigentlich mit bionischen Wohnhäusern? Diese Frage stellt sich wohl einigen beim Blick auf städtische Wohnsiedlungen. Ein Grund dafür ist, dass von der Natur inspirierte Architektur noch nicht im großen Stil betrieben wird. Da sich die Zulassungsbeschränkungen als zeitintensiv und aufwendig erweisen, geben bionische Lösungen noch selten den Ton beim Bau von Wohnhäusern an. Dabei hat die Serienproduktion von Gebäuden das Potenzial, einen enormen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele zu leisten.

Angefangen bei Alternativen für Beton, dessen Produktion einen Großteil globaler CO2-Emissionen ausmacht. Nachhaltigere Bausubstanzen wie verzweigte Faserverbundsysteme – vom Drachenbaum entlehnt – eignen sich als Füllmaterial, das bei der Verwendung von Leichtbaubeton die verarbeitete Betonmenge um 20–30 % reduziert. Auch die Schale der Cassavaknolle kommt als umweltschonendes Baumaterial in Frage. Wird sie verbrannt, kann ihre Asche als nachhaltiger Zementersatz verwendet werden. Das liegt an dem hohen Gehalt an reaktivem Siliziumdioxid: einem harten Stoff, der gegen chemische Angriffe und Verwitterung beständig ist. Geht es dagegen um eine effiziente Wärmedämmung von Gebäuden mit Glasfassade, kommt etwa die oben beschriebene Fassadenbeschattung wieder ins Spiel.

Von Natur aus fortschrittlich

Extrem materialarm, leicht und mit guter Ökobilanz: Bionische Baumethoden sind in der Lage, unsere Architektur nachhaltig zu verändern. Sie sind eine Einladung, etablierte Verfahren neu zu denken und zu hinterfragen. Doch nicht etwa jede Fachrichtung für sich. Wichtig ist ein interdisziplinärer Ansatz, bei dem Physiker:innen, Biolog:innen und andere Naturwissenschaftler:innen zusammen mit Architekt:innen und Ingenieur:innen arbeiten. Nur so lässt sich der unerschöpfliche Fundus der Natur ganzheitlich erforschen und die innovativsten Lösungen für die Architektur umsetzen.

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