Evolution der Design-Prinzipien
Die Idee hinter dem menschenzentrierten Design
Wer ein Produkt mithilfe des human-centered Designs entwickeln möchte, folgt den per ISO-Norm zertifizierten Regeln des Prinzips. Zusammengefasst:
- Im Mittelpunkt eines Entwicklungsprozesses stehen alle möglichen Nutzer und Anwender des Produkts.
- Der Prozess ist iterativ aufgebaut und berücksichtigt in mehreren Feedbackschleifen die Erfahrungen der Nutzergruppen.
- Entwickler sollten dabei bedenken, wofür ein Produkt von wem und in welchem Kontext verwendet wird – also die gesamte User Experience.
- Diese bezieht sich eben nicht nur auf die Nutzbarkeit eines Produkts, sondern auch auf „weiche Faktoren“, wie beispielsweise die Zufriedenheit eines Kunden.
Human-centered Design im Vergleich mit anderen Prinzipien
Der Designleitsatz „Form follows function“ ist wohl vielen bekannt – dahinter steckt die Idee, dass die Gestalt eines Produkts einen direkten Rückschluss auf dessen Funktion und umgekehrt ermöglichen soll. Gerade Vertreter des Bauhaus interpretieren den Leitsatz als Verzicht auf jegliche Dekoration und „unnütze“ Schnörkel. Ob Lampen oder Stühle: Hier bestimmen Geradlinigkeit und Funktionalität.
Im Gegensatz dazu setzt das menschenzentrierte Design nicht die Funktion, sondern den Nutzer in den Mittelpunkt. Es geht darum, zu verstehen, wie der Nutzungskontext eines Produkts aussieht, welche Anforderungen bestehen und welche Lösung letztendlich den Nutzer am besten abholt. Gerade im Kontext digitaler Produkte wird das human-centered Design oftmals mit dem user-centered Design gleichgesetzt – es bestehen jedoch kleine Unterschiede. Während Ersteres alle möglichen Personengruppen im Designprozess mit einbezieht, ist es bei Letzterem nur der Nutzer. Ganz konkret: Bei der Entwicklung einer App zur Lebensmittellieferung bedenkt das human-centered Design alle Parteien, also Kunden, Zusteller, Mitarbeiter im Lager. Das user-centered Design konzentriert sich auf die Kunden, beziehungsweise die Nutzer der App.
Das Human-centered Design in einen direkten Vergleich mit anderen Designprinzipien zu setzen, ist trotz oben aufgezeigter Differenzen schwierig: Denn es ist vielmehr ein Evolutionsschritt in der Produktentwicklung als eine abzugrenzende Strömung. Denn egal, ob es um das Design einer Website oder eines Services geht: Nutzer und Nutzen stehen heutzutage unabhängig von individuellen Gestaltungselementen im Fokus.
Iterative Prozesse gehören zum human-centered Design zwingend dazu. (Foto: Amelie Mourichon , Unsplash)
Welche Vorteile bietet der Designansatz?
Ganz knapp lässt sich sagen: Der Vorteil ist, dass sich physische oder digitale Produkte intuitiv nutzen lassen. Der Anwender benötigt kein Handbuch, wenn sein Anwendungskontext und seine Bedürfnisse schon in der Entwicklung im Mittelpunkt stehen. Das wiederum führt zu einer hohen Zufriedenheit, Vertrauen in die Marke und perspektivisch auch in zukünftige Produkte. Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Möbel-Onlineshop, der den Kunden umfassend über das gewünschte Produkt informiert und keine Fragen bezüglich des Kaufabschlusses, der Lieferung und Montage offen lässt.
Aber gibt es denn auch Nachteile? Die Lebensrealität ändert sich doch ständig – kann man diese also wirklich akkurat abbilden? Und was ist mit technischer Innovation? Muss man den Nutzer nicht auch mal „zwingen“, seine Gewohnheiten zu ändern, um wirklich neue Ansätze voranzutreiben? Schließlich sollte doch die Lösung eines Problems genauso wichtig sein wie die Anwendbarkeit im aktuellen Status quo. Berechtigte Kritik, die in einen holistisch gedachten Designprozess einfließen sollte. Diese Gedanken greift das sogenannte life-centered Design auf, das noch einen Schritt weiter geht und auch Fragen der Nachhaltigkeit oder der fairen Produktion mit einbezieht. Diese Faktoren haben hier einen genauso hohen Stellenwert wie die Nutzerperspektive.
Anwendungsbeispiele
Das Prinzip erfreut sich vor allem beim Design digitaler Produkte großer Beliebtheit – schließlich merkt man andersherum sofort, wenn bei der Gestaltung einer App, eines Services oder einer Website das Kundenbedürfnis nicht im Mittelpunkt stand. Gerade hier lässt Negativ-Feedback nicht lange auf sich warten. Aber auch im Design physischer Produkte und Räume kann man mit human-centered Design wohl kaum etwas falsch machen.
Sei es ein Sessel, der sich erst durch umständliches Ziehen und Heben zu einer komfortablen Relax-Liegefläche aufziehen lässt oder ein Stuhl, der zwar schön aussieht, aber nur eine sehr kleine Sitzfläche bietet: Beide erfüllen grundsätzlich ihren Nutzen, berücksichtigen aber nicht die Bedürfnisse ihrer Nutzer. Ein anderes Beispiel: Büroräume. Oft sind sie nicht so gestaltet, dass sie ihren Nutzern ein positives Erlebnis versprechen. Statt Grünpflanzen, kleiner informeller Sitzecken abseits der Meetingräume oder Ruhezonen, setzen viele Unternehmen nach wie vor auf kalte Großraumbüros. Schauen Sie sich selbst einmal um – sicher fallen Ihnen einige Beispiele aus den Bereichen Architektur, Inneneinrichtung oder Produktdesign auf, die sich als pro oder anti human-centered Design entpuppen.
Noch mehr spannende Themen rund um Design und die Zukunft der Möbelindustrie erwarten Sie auf der imm cologne Spring Edition vom 04. bis 07.06.2023 – melden Sie sich jetzt mit einem eigenen Messestand an!