Design, das verbindet
Das Leitthema der imm cologne 2024 lautete ja „Connecting Communities“ – und viele Aussteller hatten XXL-Möbel im Programm, die Platz für mehr Miteinander zu zweit oder in der Familie bieten. Sehen Sie einen neuen Trend zu größeren Loungemöbeln?
Ich habe das Gefühl, dass die Pandemie die Wertvorstellungen der Menschen verändert hat, dass sie beginnen, viele Dinge anders zu sehen – gerade auch, was die Einrichtung ihrer Wohnungen und Häuser betrifft. So ist ein schönes, behagliches Zuhause für mehr Miteinander in den letzten Jahren deutlich wichtiger geworden. Zurzeit erleben wir so viel Gewalt in der Welt, dass die Menschen ein ganz starkes Bedürfnis nach dem Zusammensein mit ihren Liebsten haben. Ich freue mich sehr darauf, bald noch mehr von dem für Bielefelder Werkstätten gestalteten Sessel Nimbo und meiner Interpretation eines solchen behaglichen Miteinanders vorzustellen.
Es waren weniger Möbel mit harten Kanten oder spitzen Ecken auf der Messe zu sehen – vielmehr dominierte eine Formensprache mit runden und gewellten Konturen. Auch Sie haben verschiedene neue Entwürfe vorgestellt, die mit ihrem organischen Designansatz überzeugen. Worauf führen Sie Ihre Vorliebe für runde Formen zurück?
Ich arbeite generell gerne mit weichen, sinnlichen Formen. Dies entsprach hier aber auch den Vorgaben seitens des Unternehmens. Das Ergebnis waren dann diese großzügig ausgelegten Lounge-Sessel. Ich denke, dass es in der Vergangenheit sehr viele kantige, rechteckige Sofas gegeben hat, so dass die Menschen jetzt zur Abwechslung ein eher skulpturales Design zu schätzen wissen. Die Menschen haben ein Bedürfnis nach mehr Weichheit in ihrem Leben, denn ihr Alltag ist schnell und digital genug. Es gibt in dieser digitalen, beinahe „künstlichen“ Welt eine ausgeprägte Sehnsucht nach mehr Langsamkeit, nach echten und natürlichen Verbindungen, nach mehr Gefühl, auch in taktiler Hinsicht. Dem kommen Möbel mit nur wenig bearbeiteten Holzoberflächen oder voluminösen Textilien entgegen.
Für Team7 designte Koldova „Elliot“. Der Loungesessel verkörpert das Engagement für mehr Nachhaltigkeit und umweltfreundliches Design der Marke. Copyright: Team7
Nachhaltigkeit ist mittlerweile ein entscheidender Faktor in der Gestaltung und Herstellung von Möbeln. So wie bei Elliot, Ihrem neuesten Entwurf für Team7. Welchen Einfluss haben Nachhaltigkeitsüberlegungen generell auf Ihre Arbeit?
Das Thema Nachhaltigkeit war während des gesamten Designprozesses für Elliot ein zentraler Bezugspunkt. Bei Team7 ist Nachhaltigkeit schon seit langem Bestandteil der Unternehmensphilosophie, und ich habe mich sehr gefreut, meinen Teil dazu beizutragen, ein außergewöhnliches Möbelstück zu entwerfen, das komplett nachhaltig gefertigt wird. Es gab zwar gewisse Einschränkungen, was beispielsweise die Farbpalette für die Lacke oder auch die Auswahl an Stoffen betrifft, aber dafür habe ich interessante neue Alternativen für die Polsterung mit PU-Schaumstoffen kennengelernt.
Welche Eigenschaften braucht ein Möbelstück Ihrer Meinung nach, um sich im Laufe der Zeit zu bewähren?
Überzeugende Funktionalität, eine ansprechende und möglichst inspirierende Form und hochwertige Materialien. Es ist wichtig, nicht nur eine gute Idee zu haben. Mindestens ebenso wichtig sind emotionale Aspekte. Die Menschen wollen sich mit einer Marke verbinden, sie wollen einen Teil der Markenwelt bei sich zu Hause haben, für das ein Produkt steht.
Ihre Arbeit geht über formvollendete Möbel hinaus – Sie sind auch für Ihre faszinierenden Lichtlösungen bekannt. Ist der Entwurf einer Leuchte anspruchsvoller als der eines Möbelstücks? Und was sind die besonderen Herausforderungen bei der Gestaltung einer Lampe?
Die Arbeit mit Licht war mein erster Schritt in die Welt des Designs, und sie ist immer noch absolut faszinierend für mich. Aber ich interessiere mich für jede Art von Design – Objekte, Accessoires, Uhren, Leuchten und Möbel bis hin zu kompletten Inneneinrichtungen sozusagen als Gesamtkunstwerk, wie die für das Hotel Perk, die ich letztes Jahr in der Tschechischen Republik fertiggestellt habe. Wenn man eine Leuchte entwirft, sind technische Aspekte sehr wichtig. Die Lichtquelle ist ein zentraler Bestandteil jeder Leuchte, und sie steht auch im Mittelpunkt des gesamten Designprozesses. Entscheidend für den Effekt und insbesondere das Lichtempfinden ist dann das Zusammenspiel der Lichtquelle mit den Materialien, die Schatten oder Volumen erzeugen. Licht kann verführerisch sein, intim, energiespendend, beruhigend... es gibt so viele Facetten. Wenn ich eine Leuchte entwerfe, gehe ich an die Arbeit wie ein Bildhauer an eine Skulptur – ich denke an das fertige Objekt, das den gesamten Innenraum bereichern wird. Letztlich stellen sowohl Leuchten als auch Möbel ihre ganz eigenen Herausforderungen. Die Aufgaben sind einerseits sehr verschieden, andererseits aber doch sehr miteinander verbunden. Diese Dialektik ist sehr interessant für einen Designer. Mein Ansatz ist in beiden Fällen ähnlich – immer voller Leidenschaft – aber die Ergebnisse sind doch andere.
Eine letzte Frage, wenn Sie gestatten: Als Designerin verfügen Sie über eine ganz besondere Intuition, so etwas wie einen visionären Blick für Produktdesign. Welche Möbeltrends werden 2025 keine Rolle mehr spielen, und welche neuen Entwicklungen sehen Sie am Horizont?
Ich glaube, die Menschen werden zunehmend hohe Qualität und langsames Design zu schätzen wissen. Schnelllebiges wird an Bedeutung verlieren. Die Menschen werden darauf achten, die von ihnen gekauften Einrichtungsobjekte länger nutzen zu können, und sie werden ihre Anschaffungen um gemietete Objekte ergänzen. Materialien und ihre Herkunft werden noch wichtiger werden. Wertvolles steht neben reinen Gebrauchsmöbeln. Und Licht wird wichtiger.
Die Designerin Lucie Koldova