Von der linearen Wirtschaft zum Kreislauf
Cradle-to-Cradle: Für eine Welt ohne Müll
Stellen Sie sich vor, Ihre Kunden könnten alle Möbelstücke zurückgeben und Sie produzieren daraus neue Einrichtungsgegenstände ohne einen großen Apparat an Materialkosten. Das ist keine Zukunftsmusik. Das ist Cradle to Cradle.
Cradle to Cradle (C2C) wurde von Prof. Michael Braungart und dem Architekten William McDonough entwickelt und ist inzwischen zu einem bekannten Nachhaltigkeitskonzept geworden. Denn das Resultat dieser beeindrucken Methode ist eine Welt ohne Müll.
Nach der Definition des Cradle to Cradle Product Innovation Institus werden „Cradle to Cradle-Materialien unter Berücksichtigung ihres inneren Wertes und ihrer nützlichen Lebensdauer in recycelten oder sogar "upgecycelten" Produkten verwendet, deren Wert und technologischer Entwicklungsstand höher sein kann als der ihrer ursprünglichen Verwendung.“
Wie in der Natur gibt es also auch beim Cradle to Cradle Design keine Verschwendung, keine Knappheit und keine Einschränkungen. Es ist ein Designkonzept, das auf der unbegrenzten Wiederverwendung von Rohstoffen, der Nutzung erneuerbarer Energien und der Förderung der Vielfalt beruht. Ziel ist es, eine neue industrielle Revolution in Gang zu setzen, die dafür sorgt, dass Produktion und Fertigung positive Auswirkungen auf die Gesellschaft, die Wirtschaft und unseren Planeten haben.
Der Cradle to Cradle Ansatz dient in hohem Maße der Nachhaltigkeit, indem er Abfälle durch die vollständige Wiederverwendung von ausrangierten Materialien vermeidet. Alle Materialien, die in Cradle to Cradle-zertifizierten Produkten verwendet werden, haben die Eigenschaft, entweder biologisch oder technisch vollständig recycelbar zu sein.
Die Wiederverwendung von Materialien ist jedoch nur eine der Qualitätskategorien, auf die das Cradle to Cradle-Design bei einem Produkt achtet. Wie das Cradle to Cradle Products Innovation Institute erwähnt, "betrachtet Cradle to Cradle ein Produkt anhand von fünf Qualitätskategorien":
- Gesundheit des Materials
- Wiederverwendung von Materialien
- Erneuerbare Energien und Kohlenstoffmanagement
- Verantwortungsvoller Umgang mit Wasser
- Soziale Fairness
Der C2C Ansatz zielt darauf ab, Dinge neu zu erfinden, anders zu denken und anders zu gestalten. Es geht darum, alle Dinge nützlich zu machen. Das geht noch weiter als die klassische Nachhaltigkeit. Ein konkretes Beispiel: Strohhalme aus Plastik sind in der EU seit 2021 offiziell verboten. Doch der reine Verzicht auf dieses Produkt verbessert den Status Quo nicht, sondern macht die Situation nur nicht schlimmer. C2C hingegen hat zum Ziel, besseres Plastik und andere Kunststoffe zu entwickeln, die in biologische Systeme zurückgeführt werden können. Ein Vorhaben, dass viel Forschung und Zeit kostet – und nicht für alle Unternehmen umsetzbar ist.
Modebranche geht mit gutem Beispiel voran: In nur 14 Monaten hat das italienische Modelabel Napapijri seine Circular Series auf Cradle to Cradle Gold umgestellt. (Foto: Napapijri)
Kreislaufwirtschaft in der Praxis
Auf dem Weg zur ultimativen Nachhaltig gibt es jedoch einige Abzweigungen, die mehr als nur ein Schritt in eine umweltfreundlichere Wirtschaft sind. In der Bekleidungsbranche wird das Cradle to Cradle Prinzip abseits der Fast Fashion Industrie schon häufig gelebt. Das italienische Modelabel Napapirji hat in beeindruckenden 14 Monaten die gesamte Produktion auf Cradle to Cradle umgestellt.
Zusammen mit dem Cradle to Cradle- Gutachter EPEA Switzerland haben sie damit einen Rekord für die Umstrukturierung auf kreislauffähige Prozesse aufgestellt. Im Interview sprechen wir mit Albin Kälin, Gründer und CEO der EPEA Switzerland GmbH, über die Dringlichkeit sich vom linearen Wirtschaften abzuwenden. Denn nur so bleiben Unternehmen zukunftsfähig.
Verstecken muss sich die Einrichtungsbranche dahinter aber keineswegs. Schon jetzt beweisen die nachfolgenden Unternehmen, wie eine erfolgreiche Kreislaufwirtschaft im Interior Design funktioniert.
Cloud Sofa von FINK
Make Furniture Circular zeigt, welche Chancen Recycling der Einrichtungsbranche eröffnet. Ihr Ziel ist es, einen attraktiven Markt für die Weiterverarbeitung von Sekundärstoffen zu schaffen. In Zusammenarbeit mit FINK Product Design haben sie das revolutionäre Cloud Sofa entwickelt. Die Füllung für das Sitzmöbel wird aus gebrauchten Matratzen gewonnen. Der erste Prototyp macht deutlich, welches Potenzial Sekundärrohstoffe bieten: Durch die Verarbeitung bestehender Ressourcen können Materialkosten und ungenutzte Abfälle reduziert werden.
Magna Glaskeramik
Magna Glaskeramik wird zu 100 Prozent aus Recyclingglas hergestellt und kann nach Gebrauch vollständig und hochwertig wieder dem Glaskreislauf zugeführt werden. Transparentes, grünes oder braunes Flaschenglas werden durch einen Sinterprozess zu Glaskeramik verschmolzen, wobei Farbigkeit und Form der Glasscherben erhalten bleiben und eine besondere Ästhetik entsteht.
Der Experte für Büromöbel ist Pionier im Bereich Cradle to Cradle. Für den Arbeitsstuhl „Think“ erhielt das Unternehmen die erste C2C Zertifizierung weltweit. Bis heute hat Steelcase das Prinzip fest in seiner Firmenphilosophie verankert. Mit über 25 Zertifizierungen zählt der Hersteller für Büromöbel zu den meistzertifizierten Unternehmen weltweit.
Ein Stuhl, der zum Nachdenken anregt. Mit dem Modell „Think“ konnte die Marke Steelcase die erste Cradle to Cradle Zertifizierung weltweit ergattern. (Foto: Steelcase auf ambista)
Vom ungenutzten Material zur gewinnbringenden Ressource
Die Klimakrise zwingt die Gesellschaft und die Wirtschaft zum Handel und ist damit zum Innovationstreiber geworden: modulare Möbel, ressourcenschonende Materialien oder Circular Economy , um nur einige Beispiele zu nennen. Doch da geht noch mehr. Forscher der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz zeigen mit einem Forschungsprojekt, wie Branchen nachhaltig miteinander kooperieren können.
Das Team hat eine umweltschonende Methode gefunden, Vanillin aus Holzabfällen zu herzustellen. Nach Safran zählt der Aromastoff zu den teuersten Gewürzen der Welt – und den weltweit am meisten genutzten. Im Mittelpunkt des Projektes steht der Holzbestandteil Lignin. Bei Lignin handelt es sich um einen Stoff, der die Pflanzenfasern in Bäumen vor dem Aufquellen durch Feuchtigkeit schützt. Jedes Jahr fallen mehr als 100 Millionen Tonnen Lignin als Abfallprodukt an, während für die Produktion von Lebensmitteln, Kosmetika und Medikamenten mehrere zehntausend Tonnen Vanillin verwendet werden. Bisher wurde der Aromastoff überwiegend aus Erdöl gewonnen, wobei giftige Abfälle entstehen. Bei der neuen Methode ist das nicht der Fall. „Unsere Methode hat einen Vanillinertrag von rund vier Prozent des eingesetzten Lignins, damit könnte man theoretisch den weltweiten Bedarf decken“, so Prof. Dr. Siegfried Waldvogel, Sprecher des Spitzenforschungsbereichs.
Das Forschungsprojekt der Universität zeigt eindrucksvoll, wohin sich nicht nur die Einrichtungsbranche entwickeln muss, um zukunftsfähig zu bleiben. Begrenzte Ressourcen erfordern neue Ansätze und die Zusammenarbeit verschiedener Branchen. Denn: Was für den einen Abfall ist, kann für andere Unternehmen schnell zum gewinnbringenden Rohstoff werden.
Die Zukunft der Einrichtungsbranche ist grün
Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Bewegungen wie Fridays for Future und der aktuelle Trend hin zu ressourcenschonender Einrichtung zeigen das deutlich. Wer sich jetzt klar positioniert und in einen nachhaltigen Herstellungsprozess und Materialien investiert, setzt sich an die Spitze eines Wachstumsmarktes und gehört damit zu den Vorreitern der Branche.
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