Nachhaltige Architektur: Bauen mit Bambus
Stärker als Stahl, robuster als Beton und flexibler als Holz: Bambus könnte das neue Wundermittel für die Baubranche werden. In Asien, Afrika und Südamerika wird der nachhaltige Rohstoff bereits seit vielen Jahrhunderten zum Hausbau verwendet. Und das aus gutem Grund.
Kaum ein Rohstoff hat sich in den vergangenen Jahren als so attraktiv herausgestellt wie Bambus. (Foto: Paulina Saez bei Unsplash)
Bambus: die nachhaltige Wunderpflanze
In den tropischen Klimaregionen dieser Erde beheimatet, bedeckt Bambus mittlerweile weltweit eine Fläche von rund 37 Millionen Hektar. Die Pflanze zählt zur Familie der Süßgräser und verfügt über 1600 Gattungen. Je nach Art wächst die Wunderpflanze zwischen drei und 30 Zentimeter pro Tag. Damit gehört Bambus zu den am schnellsten wachsenden Pflanzen der Welt. Viele Arten sind bereits nach wenigen Monaten oder sogar Wochen ausgewachsen und messen dann bis zu 40 Meter Höhe.
Lange wurde die beeindruckende Pflanze unterschätzt und war in europäischen Breitengraden vor allem als Sichtschutz im Garten oder auf dem Balkon bekannt. Doch Bambus hat sich zu einem nachhaltigen Allrounder entwickelt und längst Einzug in unseren Alltag gehalten. Von Zahnbürsten über Kaffeebecher bis hin zu Möbeln: In Zeiten von Klimaschutz und bewusstem Konsum entfaltet der nachhaltige Rohstoff eindrucksvoll sein großes Potenzial – vor allem in der nachhaltigen Architektur.
Umweltfreundlich bauen mit Bambus
Ein Blick in dicht besiedelte Städte zeigt Häuser aus Stein, Stahl und Beton. Baumaterialien, die sich über lange Zeit bewährt haben. Doch Kies und Sand sind knapp und Bauholz kostspielig. Seit Anfang 2021 haben sich die Preise für Bauholz nahezu verdoppelt. Eine Zahl, die die gesamte Baubranche vor neue Herausforderungen stellt. Holz ist aktuell noch der alternative Baustoff schlechthin, doch Bambus schlägt den Rohstoff um Längen.
Bereits nach drei Jahren kann die Pflanze gefällt und verarbeitet werden – Eiche, Ahorn und Buche brauchen mehrere Jahrzehnte. Obwohl Bambusrohre von innen hohl sind, ähneln sie in puncto Stabilität dem Holz von Bäumen. Im Gegensatz zu Bäumen sind Bambusfasern jedoch immer längs angeordnet, was sie besonders stabil, belastbar und flexibel macht. Die Kombination aus der Druckfestigkeit von Beton und der Zugfestigkeit von Stahl macht Bambus als Baustoff so interessant. Selbst Orkane und Erdbeben meistert er durch seine Beschaffenheit oft problemlos.
Und der Rohstoff hat einen weiteren entscheidenden Vorteil: Er zählt zu den nachhaltigsten Baustoffen unserer Zeit. Das beginnt bereits bei den Anbaubedingungen. Da Bambus sehr widerstandsfähig ist, kann auf umweltschädliche Pestizide und Dünger verzichtet werden. Bei der Ernte wird die Bambuspflanze nicht abgetötet, sondern ein der Teil der Stangen wird im Wald zurückgelassen. Das regt den Wurzeltrieb und das erneute Wachstum der Pflanze an. Durch sein schnelles Wachstum ist Bambus eine nahezu unendliche Ressource. Hinzu kommt, dass Bambus im Gegensatz zu Baustoffen wie Stahl, Beton und sogar Holz eine negative CO2-Bilanz aufweist. Die Pflanze bindet bis zu viermal mehr CO2 als andere Baumarten. Dadurch ermöglicht Bambus umweltfreundliches Bauen, wie es bisher kaum möglich ist und treibt grüne Architektur voran.
Grüne Architektur: Herausforderungen für die Baubranche
Fortschritt bringt auch immer Herausforderungen mit sich. Auch das umweltfreundliche Bauen mit Bambus verlangt nach neuen Techniken. Als natürlicher Rohstoff sind Bambushalme unregelmäßig geformt und nicht überall gleich dick. Zudem sind die einzelnen Rohre unterschiedlich lang. Forscher, Ingenieure und Möbeldesigner haben sich dieser Herausforderung angenommen und moderne Techniken entwickelt, die das Bauen mit Bambus in Zukunft einfacher machen.
So auch Kyle Schumann und Katie MacDonald von der University of Tenessee: Sie haben eine Fräsmaschine entwickelt, die nicht größer ist als eine Mikrowelle. Ein tragbares Werkzeug für den lokalen Handwerker, mit dem individuelle Bauteile direkt auf der Baustelle hergestellt werden können. Eine der Herausforderungen beim umweltfreundlichen Bauen mit Bambus besteht nämlich darin, die unregelmäßig gewachsenen Enden der Rohre fest miteinander zu verbinden. Mit der Maschine können alle möglichen Formen ausgefräst werden, solange die Wandstärke des Materials es hergibt.
Ein weiterer innovativer Ansatz kommt aus Mexiko. Das Architekturbüro Co-Lab hat ein umweltfreundliches Gebäude komplett aus Bambus gebaut, den Luum-Tempel. Inspiriert von der Natur muten die fünf gewölbeartigen Decken an wie eine umgedrehte Blüte. Um die einzelnen Bambusrohre, die teils unterschiedlich dick sind, miteinander zu verbinden, scannten sie zunächst das Tragwerk. Anschließend berechnete ein Algorithmus die einzelnen Verbindungsknoten, die dann von einem 3D-Drucker aus Kunststoff angefertigt wurden.
Auch in Deutschland wird an Technologien geforscht, um umweltfreundliches Bauen mit Bambus noch attraktiver zu machen. Drik Hebel vom Karlsruher Institut für Technologie hat mit seinem Team einen Bambus-Verbundwerkstoff entwickelt, der zu 90 Prozent aus Bambusfasern und Harzen besteht. Die Kombination der Stoffe macht den Bambus noch robuster und weniger anfällig für Feuchtigkeit.
Was diese innovativen Ansätze gemeinsam haben? Sie zeigen deutlich, wie das Bauen der Zukunft aussehen kann und wird. Denn Klimawandel und das Schwinden von Ressourcen verlangen ein Umdenken.
Der grüne Stahl der Zukunft
Natürlich, ressourcenschonend und flexibel: Bambus wartet mit einer Vielzahl an Vorteilen auf. Vor allem in puncto Nachhaltigkeit ist er als Baumaterial nahezu unschlagbar. Als attraktive Alternative zu Holz eröffnet die Pflanze der Bau- und Einrichtungsbranche neue Möglichkeiten, mit grüner Architektur in eine nachhaltige Zukunft zu wachsen.
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