Die drei wichtigsten nordamerikanischen Designtrends des Jahres 2021
Dieser handgefertigte Stuhl der Designerin Brynn Olson wurde in der Tradition der Maya gefertigt.© Cynthia Lynn Kim
Über viele Jahre hinweg haben im nordamerikanischen Interior Design Minimalismus und Mid-century modern den Ton angegeben – in Wohnräumen ebenso wie in Hotels und Restaurants. Jetzt aber sieht es ganz danach aus, als habe die einschneidende Erfahrung der Pandemie bei den Verbrauchern eine neue Lust an einem farbenfroheren und gewagteren Design bewirkt.
„Interessanterweise scheinen sich die Menschen nach überstandenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verwerfungen stärker zu kräftigeren Farben, plakativeren Silhouetten und ganz allgemein zu einem eher unkonventionellen Design hingezogen zu fühlen. Dieses Phänomen war bereits nach der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre sowohl in der Mode als auch im Bereich der Inneneinrichtung zu beobachten. Und jetzt, nach der Pandemie, ist es nicht anders“, so die Innenarchitektin Becky Shea . „Wenn man so lange Zeit von Tristesse umgeben war, kann es befreiend und inspirierend wirken, mutig zu sein und sich nicht immer nur der herrschenden Konvention unterzuordnen.“
Entsprechend stehen bei einigen der derzeit beliebtesten Trends im nordamerikanischen Design eher gewagte ästhetische Statements im Mittelpunkt. Der Maximalismus hat den Minimalismus abgelöst, die auffälligen Formen und Muster der 1980er Jahre sind zurück und von Hand Gefertigtes erlebt einen Boom.
Maximalismus: Mehr ist einfach mehr
Es gibt durchaus eine Zeit und einen Ort für Ruhe, Entspannung und das Gefühl der Geborgenheit, aber nach einem mehr oder weniger zu Hause verbrachten Jahr haben die Menschen irgendwann auch genug davon. „Früher haben mir so viele Kunden gesagt, dass sie sich ein Zuhause wünschen, das ein echter Rückzugsort von der Hektik da draußen ist. Aber als die Leute anfingen, mehr und mehr Zeit zu Hause zu verbringen, begannen sie die Vielschichtigkeit zu vermissen, die nur ein wirklich breites und lebendiges Spektrum an Farben, Mustern, Texturen und Formen bieten kann“, analysiert die New Yorker Designerin Emma Beryl . „Und ich glaube, dass selbst jetzt, wo sich das öffentliche Leben langsam wieder öffnet und die Menschen wieder draußen unterwegs sind, diese Veränderung in der Art und Weise, wie sie ihre eigenen Räume betrachten, bestehen bleiben wird.“
Innerhalb des Maximalismus kombinieren die Designer zeitgenössische mit traditionellen Elementen. Bei dem unter dem Namen „grandmillennial“ bekannt gewordenen Stil wenden sich jüngere Kunden wieder den vermeintlich aus der Zeit gefallenen Mustern, Stilelementen und Produkten ihrer Großeltern zu, beispielsweise in Form von Porzellan- und Lackkunstarbeiten, aber auch von Schonbezügen für Polstermöbel. „Vor allem in luxuriösen Wohn- und Geschäftsräumen kommen vermehrt Porzellan und Lackkunst zum Einsatz“, so die Designerin Brittany Farinas von House of One Interior Design in Süd-Florida. „Gerade in Badezimmern kommen diese Stilelemente besonders gut zur Geltung, beispielsweise wenn sie in auf den Wänden aufgebrachten Zierleisten integriert werden, um besondere Glanzlichter zu setzen.“
Und selbst Designer, die gemeinhin eine eher dezente Ästhetik für sich bevorzugen, finden Mittel und Wege, den Maximalismus in ihren Entwürfen zu nutzen, indem sie bestimmte Farben und Muster gezielt als Akzente einsetzen. „Auch eher am Minimalismus orientierte Designer werden langsam offener für humorvolle Tapeten, auffällige Drucke und Muster auf Polstermöbeln oder den Einsatz auch lauterer Farbtöne wie Aubergine, Chartreuse oder Smaragd in ansonsten sehr dezent gehaltenen Räumen“, konstatiert Shea.
Mehr denn je finden die Designer Freude daran, sich im Maximalismus geradezu auszutoben. „Mit eines der schönsten Dinge am maximalistischen Design ist, dass man sich nicht zurückhalten muss, wenn es darum geht, welche Möbelstücke man einsetzt“, sagt Beryl. „Es geht dabei jedoch keinesfalls um Maximalismus um des Maximalismus willen. Ihr Design muss eine Geschichte erzählen und sorgfältig kuratiert sein. Solange dies gegeben ist, ist es absolut in Ordnung, Anleihen aus einer Vielfalt verschiedener Stile zu nehmen, um einen Raum interessanter zu gestalten.
In diesem maximalistisch eingerichteten Schlafzimmer hat die Designerin Isabel Ladd Muster und Farben nach Herzenslust kombiniert. © Andrew Kung
Retro-Dekor: Die 80er sind zurück
Die 1980er Jahre werden gemeinhin nicht gerade zu den Phasen gezählt, in denen Designgeschichte geschrieben wurde – aber nichtsdestotrotz kommt der 80er-Retro gerade kraftvoll zurück. „Sowohl im Interior Design als auch in der Mode scheint zu gelten: Was einmal populär war, kommt alle 20 Jahre wieder in Mode. Das heißt, was 1980 populär war, war auch in den frühen 2000ern beliebt und kommt jetzt – in den 2020ern – erneut in Mode“, so Beryl.
Trotz der weitverbreiteten Meinung, 80er-Jahre-Dekor sei hässlich, ist es doch allgemein anerkannt, dass sich in dieser Zeit das gesamte Produktdesign nachhaltig verändert hat, insbesondere was den Einsatz geometrischer Formen bei Möbeln und Kunstobjekten betrifft. „In den 80er Jahren begann man, mit verschiedenen Formen für Möbel und Lichtobjekte zu experimentieren, die im zeitgenössischen Design immer noch verbreitet sind – angefangen bei skulpturalen Stücken, die einem Raum seine Seele verleihen können, bis hin zu großvolumigen, skulptural anmutenden Möbelstücken, die jedoch durchaus funktional und praktisch in ihrem Gebrauch sind“, sagt Shea.
Anstatt jedoch die 80er Jahre einfach zu kopieren, gehen die Designer selektiver in der Art und Weise vor, wie sie die Stilelemente dieser Zeit wiederbeleben – indem sie beispielsweise die Retro-Form beibehalten, aber die Materialien verändern. „So waren in den 80ern beispielsweise Muschelmotive in Glas oder buntem Plastik sehr beliebt. Jetzt sehe ich viele dieser Formen in Stein oder Gips“, so Beryl. In ähnlicher Weise beobachtet Ella Hall, Gründerin von Stitchroom , einem Hersteller von Polstermöbeln nach Maß, dass Kunden Vintage-Stücke aus den 80er-Jahren neu aufpolstern lassen, um deren Retro-Silhouette einen eher zeitgemäßen, dem heutigen Geschmack entsprechenden Look zu verleihen. „Ich führe das wachsende Interesse am 80er-Jahre-Design auf eine gewisse 80er-Jahre-Nostalgie auch im TV und in den Medien allgemein zurück“, so Hall.
Der 80er-Jahre-Trend ist dabei jedoch nicht nur bei Kennern der Designgeschichte beliebt – etwa als Hommage an das 1980 von Ettore Sottsass gegründete, bahnbrechende Designer-Kollektiv Gruppe Memphis. „Viele dieser Stilelemente finden sich wieder in Cocktailtischen und Sitzmöbeln von Anbietern wie beispielsweise CB2 – was unzweifelhaft bedeutet, dass der Trend mittlerweile den Mainstream erreicht hat“, sagt die in Houston ansässige Designerin Mary Patton .
Für diese von den 80er-Jahren inspirierte Kollektion hat sich CB2 mit der Designerin Kara Mann zusammengetan. © CB2
Handgefertigtes kaufen und damit das Handwerk unterstützen
Die verschiedenen Bewegungen, die sich für soziale Gerechtigkeit einsetzen, die Klimakrise und nicht zuletzt die Pandemie haben dazu geführt, dass die Verbraucher immer achtsamer bei den Produkten werden, die sie kaufen. Sie stellen mehr Fragen danach, wer sie hergestellt hat, wie sie hergestellt wurden und was die Geschichte hinter dem Produkt ist. Dies hat zu einer wachsenden Beliebtheit von handgemachten Produkten für den Haushalt geführt, angefangen bei reinen Dekorationsobjekten bis hin zu Möbeln. Und hier kann es im Zusammenhang mit sozialer Gerechtigkeit auch oft eine Rolle für die Kaufentscheidung spielen, ob der Handwerker nicht vielleicht eine Handwerkerin, also eine Frau ist – oder nicht von weißer Hautfarbe.
„Es gibt dieses Gefühl einer besonderen Verbundenheit, wenn man etwas Handgefertigtes kauft, ein Einzelstück oder etwas, das in der Region hergestellt wurde“, so Shea. „Es fühlt sich fast so an, als ob man sich dadurch mit einer Gemeinschaft verbindet. Und – besonders nach der Zeit, die jetzt langsam hinter uns liegt – glaube ich, dass wir echte menschliche Verbindungen brauchen. Das ist eine wichtige Facette unseres Lebens, die inmitten all der Möglichkeiten, die uns die technologische Vernetzung bietet, allzu oft übersehen wird.“
Und Design hat die Macht, dieses Gefühl der Verbindung und Gemeinschaft in Objekte zu übersetzen, mit denen wir dann unser Zuhause einrichten. „Das vergangene Jahr hat uns dazu veranlasst, uns auf die Dinge zu besinnen, die wir lieben und wertschätzen und die den größten emotionalen Wert für uns haben“, so Byron Peart, Gründer des sozial- und umweltbewussten Online-Designshops Goodee, der dem Kunsthandwerk aus aller Welt eine Plattform bieten möchte. Er glaubt, dass die heutigen Verbraucher Designobjekte kaufen wollen, die eine Geschichte erzählen – sei es die des Herstellers oder die des Käufers.
„Letzten Endes werden die auf Goodee angebotenen Produkte und Geschichten ausgewählt, weil sie über das – gerade online – allgegenwärtige, rein physische Narrativ des ‚Was‘ hinausgehen und die oft so schwierige Frage nach dem ‚Warum‘ beantworten“, so Peart. „Und es ist natürlich ermutigend zu sehen, dass sich daraus etwas ergibt, das sich wirklich wie eine nachhaltige Veränderung anfühlt – nicht nur im Bewusstsein, sondern auch im aktiven Tun, wenn nämlich Verbraucher kleine und unabhängige Unternehmen unterstützen, deren Werte wirklich mit ihren eigenen übereinstimmen.“
Und – sozusagen als Bonus obendrauf – wird von Hand Gefertigtes in aller Regel auf nachhaltige Art und Weise produziert – im Unterschied zu vielen Massenprodukten. „Als Käufer eines handgemachten Objekts hat man viel mehr Kontrolle darüber, welche Materialien im Fertigungsprozess verwendet werden und wie nachhaltig diese sind“, sagt Beryl. „Anders als bei einem größeren Hersteller, bei dem die Materialien bereits festgelegt sind, können Sie bei einem Handwerker beispielsweise angeben, dass Sie aufgearbeitetes Holz oder Bio-Baumwolle für Ihr Objekt haben wollen statt irgendwelcher nicht nachhaltigen Materialien.“ Und natürlich macht dies für einen umweltbewussten Verbraucher einen enormen Unterschied aus.
Diese gewobenen Körbe von Baba Tree/ Goodee © Baba Tree/Goodee
Gastbeitrag von Stefanie Waldek, Design Milk