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100 Jahre Bauhaus in Farbe

Ein feierfreudiges Jubiläumsjahr liegt hinter uns und der Blick auf das Bauhaus hat sich im Zuge dessen stark geweitet. Der aufgefächerte Rückblick verdeutlicht erneut, dass das Bauhaus eine Haltung und kein Stil war. Zeitgenössisches Design bezogen auf das Bauhaus basiert häufig auf den damaligen Leitsätzen der Gestaltung wie „Form folgt Funktion“ und „Weniger ist mehr“.

Meisterhaus Paul Klee / Wassily Kandinsky in Dessau.

Meisterhaus Paul Klee / Wassily Kandinsky in Dessau. Foto: Uwe Jacobshagen

Die Farbigkeit wird mit Schwarz und Weiß sowie den Primärfarben verbunden. Auch in der Architektur spricht man heute von Häusern im „Bauhaus-Stil“ und begrenzt die ursprünglich komplexen gestalterischen Ansätze auf weiße Kuben mit Flachdächern. Dabei war die Bauhausarchitektur mitnichten „Weiß“ – es gab eine ausgeprägte Farbigkeit, wie unter anderem die restaurierten Meisterhäuser in Dessau im Inneren zeigen.

Die ganzheitliche Vermittlung von Farbe am Bauhaus

Farbe spielte in der Bauhauslehre generell eine wichtige Rolle und war im Unterricht tief verankert. Johannes Itten verband in seinem Vorkurs verschiedene Farbtheorien miteinander und vermittelte das Wissen um die subjektive Farbempfindung verbunden mit den objektiven Grundgesetzen der Farbwahrnehmung. Die von ihm am Bauhaus entwickelte Farbenlehre stellt noch immer eine wichtige Grundlage in der Gestaltungslehre sowie im Kunstunterricht dar.

Wassily Kandinsky lehrte in seinen Kursen „elementaren Formunterricht“ – Gestaltung wurde anhand von Raumlehre, Farblehre und Kompositionslehre angeleitet. Im Kurs Wandmalerei beispielsweise ließ er die Studenten an den Wänden der Werkstatträume handwerkliche Fragestellungen sowie die psychologische Wirkung der Farbe erforschen. Es war ein ganzheitlicher Ansatz vom Gestalten mit Farbe, Form und Material im Raum, der in dieser Form heute leider kaum noch unterrichtet wird.

Farbe und Material in der Weberei

Geometrische Stoffentwürfe von Anni Albers

Geometrische Stoffentwürfe von Anni Albers in Neuauflage. Foto: Designtex

In der Zeit der Weimarer Republik war es üblich, dass die Architekten auch die textile Ausstattung ihrer Bauten übernahmen. Sie gehörte wie die Farbgebung und Materialwahl zum Gesamtkonzept und somit wurde die Weberei am Bauhaus unter ihrem Formmeister Johannes Itten eine der erfolgreichsten Werkstätten. Hier wurde mit Material und Farbe experimentiert und die Inhalte der Farb- und Formlehren auf den Webstuhl übertragen. Wer die Ausstellung von Anni Albers im Düsseldorfer K20 gesehen hat, konnte sich von der Sinnlichkeit und Experimentierfreudigkeit ihrer textilen Arbeiten überzeugen. Gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Bauhausmeister Josef Albers, beschäftigte sie sich ihr Leben lang auf verschiedenen Ebenen mit der Abstraktion. Sie stand jedoch oft im Schatten ihres berühmten Partners, der mit seinen bahnbrechenden Studien zur Farbe weltweit bekannt wurde.

Die Gestaltung der Meisterhäuser

Anni und Josef Albers wohnten, wie auch andere Bauhauskünstler, in der Meisterhaussiedlung in Dessau, die als eine Art Experimentallabor des Bauhauses für das neue Wohnen galt. Heute sind die Häuser Bestandteil des UNESCO-Welterbes. Der Farbgestalter Alfred Arndt entwickelte 1926 für die Meisterhäuser einen Farbplan, der für die Außenwände Pastelltöne vorsah – Hellgelb, Rosa und Hellgrau. Im Kontrast dazu wurden in seinem Farbkonzept die Überstände der Kuben, Fensterlaibungen, Fallrohre sowie Geländer in leuchtendem Rot und Blau dargestellt. Walter Gropius führte Arndts Farbentwurf jedoch nicht aus und ließ die Fassaden der Häuser kalkweiß streichen.

Das Innere der Häuser gestalteten Paul Klee, Wassily Kandinsky, Georg Muche und Oskar Schlemmer. Ziel war es, die Farbe nicht nur als dekoratives Element einzusetzen, sondern die räumliche Wirkung der Gebäude durch die Farbwahl zu unterstreichen. So zeigt die Farbigkeit im Doppelhaus Kandinsky/Klee die typischen Farbpaletten der beiden Künstler auf und wirkt wie ein dreidimensionales Gemälde im Raum. Die beiden Doppelhaushälften sind nach der Rekonstruktion miteinander verbunden, so dass sich die Herangehensweise der Künstler bei identischer Raumsituation mit unterschiedlichen Farbgebungen vergleichen lässt.

Oberflächen und Details

Auch im Haus Feininger wurden über 40 verschiedene Farbtöne eingesetzt und somit jeder Raum sowohl in der Farbgebung, als auch in der Oberflächenbehandlung individuell gestaltet. Details wie Leisten, Wandschränke, Türen, Fenster und Fensterlaibungen wurden als Gestaltungsmittel einbezogen, in den Treppenhäusern wurden teilweise sogar die Handläufe, die Geländerverkleidung sowie die Tritt- und Setzstufen farblich differenziert, um der Bewegung in diesem Bereich noch mehr Ausdruck zu verleihen. Die Räume haben auf uns heute unter anderem deswegen eine besondere Wirkung, weil die Wände zu großen Teilen mit Lasurtechniken bearbeitet wurden, welche im Gegensatz zu einem monochromen Anstrich eine völlig andere Farbtiefe vermitteln.

Bei der sorgfältigen Sanierung wurden aufgrund verschiedener Farbfassungen bis zu sieben Farbschichten in Leimfarbentechnik gefunden – anscheinend haben die Meister ein wenig experimentiert, bis die entsprechenden Farbharmonien zustande kamen. Anhand von historischen Befunden wurden die Farbtöne hinsichtlich ihrer Pigmentierung und Bindemittelzusammensetzung analysiert und nachgemischt und anschließend so aufgebracht, dass die Pinselspuren und Unebenheiten der Entstehungszeit sichtbar bleiben.

Verknüpfung von Räumen

Durch die Farbgebung der Häuser wurden teilweise kleinteilige Räume visuell geschickt miteinander verknüpft und so fließende Übergänge geschaffen. Ein weiteres wunderbares Beispiel für ein Raumkontinuum, welches durch Farbe entstand, ist das Haus Auerbach (auch W33 genannt) in Jena. Dieses plante Walter Gropius noch vor den Meisterhäusern in Dessau unter der Mitarbeit von Adolf Mayer und Alfred Arndt. Der Farbentwurf von Alfred Arndt bezieht bauliche Details ebenfalls mit ein. Er verwendet in seinem Konzept keine Primärfarben, sondern setzt verhüllte Farben und Pastelltöne ein, so dass ein „weicher“ Farbklang entsteht, dem zur Akzentuierung kräftige Töne entgegengesetzt werden.

Die Farbfassung ist hier raumübergreifend: Farbwechsel treten nicht immer an Raumkanten auf, sondern auch innerhalb der Flächen. Decken und Wände sind unter anderem in spannenden Kombinationen aus Rosé, Taubengrau, Pastellblau, Helltürkis und Olivgrün gestaltet, ohne dass die Architektur überfrachtet wirkt. Den Bauhausmöbeln in ihrer reduzierten Formensprache bieten diese Farbklänge einen wunderbaren Hintergrund. So wird das Erlebnis Raum intensiviert.

All diese Räume wirken in ihrer Farbigkeit und Atmosphäre erstaunlich zeitlos und werden uns auch noch die nächsten 100 Jahre inspirieren ... Nicht umsonst sagte Walter Gropius: „Bunt ist meine Lieblingsfarbe.“

Ein Gastbeitrag von Julia Hausmann, FARBARCHITEKTUR.

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