Werkswohnungen erleben ein Comeback
Eigentlich ist es ein altes Prinzip: Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern Werkswohnungen – preiswert und in der Nähe der Firma. Die Gründe für das Revival dieses Modells sind ebenso einleuchtend wie die Vorteile für Arbeitgeber und -nehmer.
Volkswagen Immobilien wurde 1953 als Konzerntochter gegründet. Der Mietwohnungsbestand liegt heute bei rund 9.300 Mietwohnungen. Foto: VW Immobilien GmbH
Thorsten W. kommt gerade von der Arbeit nach Hause, er wohnt in einem Mehrfamilienhaus im Kölner Westen. Die Wohnung ist frisch renoviert, 62 m2 – zwei Zimmer, Küche, Diele, Bad und ein Balkon, von dem man ins Grüne blickt. Knapp zehn Minuten hat er gebraucht, von den Kölner Stadtwerken, die Arbeitgeber und Vermieter zugleich sind. Für seinen Job ist er extra aus Regensburg nach Köln gezogen. Die anstrengende Wohnungssuche konnte er sich ebenso sparen wie den Makler. Selbst um den Umzug hat sich sein neuer Arbeitgeber gekümmert. Und für seine Kaltmiete von 450 Euro hat Thorsten W. schon so manchen neidischen Blick geerntet.
Trend mit Win-win-Charakter
So wie Thorsten W. geht es inzwischen wieder vielen, denn laut einer Studie des Berliner Beratungsinstituts RegioKontext geht der Trend wieder hin zu Werkswohnungen. Arbeitgeber und -nehmer profitieren gleichermaßen davon.
So wie Thorsten W. geht es inzwischen wieder vielen, denn laut einer Studie des Berliner Beratungsinstituts RegioKontext geht der Trend wieder hin zu Werkswohnungen. Arbeitgeber und -nehmer profitieren gleichermaßen davon.
Vorteile für Arbeitgeber
- Gerade Unternehmen, die tarifvertraglich entlohnen müssen, steigern durch Mitarbeiterwohnungen ihre Attraktivität. Denn bezahlbarer Wohnraum wird immer knapper.
- Werkswohnungen erleichtern besonders Angestellten aus dem Ausland den Start bei der neuen Firma.
- Die Mitarbeiter identifizieren sich stärker mit dem Unternehmen.
Vorteile für Arbeitnehmer
- Dienstwohnungen liegen meist in der Nähe der Arbeitsstätte. Das bedeutet eine kurze Anfahrt und mehr Freizeit.
- Wohnraum ist derzeit knapp und teuer. Es entlastet also enorm, wenn die Suche entfällt.
- Von Grillabend bis Hilfe beim Anschließen der Spülmaschine – der Teamspirit kann auch nach Feierabend wachsen.
Warum Werkswohnungen aus der Mode kamen
So wie Thorsten W. geht es inzwischen wieder vielen, denn laut einer Studie des Berliner Beratungsinstituts RegioKontext geht der Trend wieder hin zu Werkswohnungen. Arbeitgeber und -nehmer profitieren gleichermaßen davon.
Nach einem Boom von der Nachkriegszeit bis in die 70er Jahre flaute die Nachfrage nach Werkswohnungen in den 80ern allmählich ab. Der Wohnungsmarkt war entspannt, die Mieten moderat. Und so wurden Wohnungsgesellschaften geschlossen und Wohneigentum verkauft. Doch die Lage hat sich seit Mitte der Nuller-Jahre durch die zunehmende Urbanisierung geändert. Besonders in den Städten steigen die Mietpreise seitdem stetig an und wer eine Wohnung sucht, braucht oft viel Geduld sowie eine hohe Kompromissbereitschaft. Und so werden seit einigen Jahre wieder Altbestände von Werkswohnungen modernisiert und neue Wohneinheiten gebaut, zum Beispiel von den drei folgenden Unternehmen.
Der Münchner Stadtrat hat beschlossen, diejenigen Bewerber bei der Vergabe für Gewerbeflächen zu bevorzugen, die gleichzeitig auch Werkswohnungen anbieten. Foto: Stadtwerke München
Beispiel 1: Stadtwerke München
München gilt als die Stadt mit dem angespanntesten Wohnungsmarkts Deutschlands. Bezahlbarer Wohnraum ist hier ein äußerst knappes Gut. Doch nicht nur die Bewohner haben mit den hohen Mieten zu kämpfen, auch Unternehmen wie die Stadtwerke München (SWM). Als tarifgebundener Arbeitgeber können die Stadtwerke beim Gehalt nicht mit der freien Wirtschaft mithalten. Um neue Mitarbeiter zu gewinnen, müssend also neue Ideen her – oder alte aufgefrischt werden. Deshalb haben es sich die SWM zum Ziel gesetzt, die Anzahl der Werkswohnungen von derzeit rund 1.000 bis zum Jahr 2030 auf etwa 3.000 zu erhöhen.
Darüber hinaus möchten die Stadtwerke durch ihre Dienstwohnungen den Münchener Wohnungsmarkt ein wenig entlasten. Da der Gewinn nicht im Fokus steht, orientieren sich die Mieten am lokalen Mietspiegel und liegen dadurch teils deutlich unter dem Preis für Neuvermietungen. Die Vergabe der Wohnungen regelt ein Punktekatalog, der Faktoren wie den sozialen Status oder das Einkommen der Angestellten berücksichtigt. Wer in Rente geht, kann weiterhin in seiner Dienstwohnung bleiben.
Beispiel 2: Kölner Stadtwerke
Im Zuge von Sanierungsarbeiten von Gebäuden aus den 1960er und 1970er Jahren wurde auch die Wohnanlage Bonner/Mertener Straße erfolgreich modernisiert. Foto: Stadtwerke Köln
Auch die Wohnungsgesellschaft der Stadtwerke Köln (WSK) erlebt entsprechend der aktuellen Lage am Wohnungsmarkt eine steigende Nachfrage. Ab 2013 wurden die Altbestände renoviert, Neubauten kamen hinzu. Von zwischenzeitlich deutlich unter 50 Prozent sind mittlerweile wieder über 85 Prozent der Wohnungen an die eigene Belegschaft vergeben. Neben den bereits erwähnten Vorteilen der Werkswohnungen gibt es laut WSK einen weiteren: Durch die kürzeren Wege zur Arbeit lassen sich jährlich rund 100 Tonnen CO2 einsparen.
Beispiel 3: Autobauer als Vermieter
Das Wohnraumangebot der VW Immobilien richtet sich an eine breite Zielgruppe: von WG-Zimmern für Azubis und Praktikanten, bis hin zu großzügigen 5-Zimmer-Wohnungen im Neubau. Foto: VW Immobilien GmbH 199
Selbst im eher beschaulichen Wolfsburg steigen die Mieten rasant an, was VW veranlasst hat, das Thema Werkswohnungen wieder für sich zu entdecken. Die in der Nachkriegszeit gegründete VW Immobilien GmbH besaß zeitweise 10.500 Wohnungen, hat sich aber aufgrund von Leerständen ab den späten 80er-Jahren von einigen Objekten getrennt. Inzwischen wird wieder neu gebaut, vor allem für die höheren Einkommensgruppen. Abwechslungsreiche Grundrisse und hochwertige Ausstattung sollen etwa Auslandsrückkehrern als Übergangslösung dienen. Mitarbeiter mit mittlerem und niedrigem Einkommen bewohnen vorwiegend die Objekte aus dem Bestand.
In Ingolstadt, wo die VW-Tochter Audi ihren Sitz hat, ist Wohnraum ebenso knapp. Hier ist der Autobauer eine Kooperation mit der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft Ingolstadt (GWG) eingegangen, die unter dem Namen ein ehemaliges Bürogebäude in Ein-Zimmer-Apartments umgewandelt hat. Die kleinen Wohnungen werden voll möbliert und inklusive Internet und Strom vermietet. Im Vergleich zu anderen Mikro-Apartments hält sich die Preisgestaltung allerdings im Rahmen. Das Audi-Kontingent im GreenHouse ist allein Mitarbeitern in Ausbildung, dualem Studium und anderen Qualifizierungsmaßnahmen vorbehalten; die Wohndauer ist an die Dauer der jeweiligen Aus- und Fortbildung gekoppelt.
Ein weltweites Erfolgsmodell
Nicht nur in Deutschland stellen immer mehr Unternehmen ihren Mitarbeitern günstigen Wohnraum zur Verfügung. Von Asien bis Amerika finden sich weltweit gute Beispiele für zeitgemäße Realisierungen. In Japan etwa hat der Werkswohnungsbau sogar schon Einzug in die Sprache gefunden und wird „Shataku“ genannt. Dort entwickelte sich nach dem zweiten Weltkrieg eine Kultur der sozialen Versorgung, sodass inzwischen 78 Prozent der Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern Werkswohnungen anbieten.
Mit dem Willow Campus plant Facebook ein eigenes Städtchen – nicht nur mit Wohnungen, sondern auch mit Geschäften, Büros, einem öffentlichen Platz und Verkehrsanbindung. Foto: OMA
Selbst im Silicon Valley, dem Weltzentrum der IT-Branche, müssen sich Unternehmen etwas einfallen lassen. Denn die Gegend zählt zu den teuersten auf dem Globus. Allein in den letzten zehn Jahren sind die Mieten dort um schätzungsweise gut 50 Prozent gestiegen. Das wird Facebook, Google und Co. aktuell zum Verhängnis, denn selbst für die gut bezahlten Angestellten wird der Wohnraum langsam zu teuer und die hohen Preise schrecken potenzielle neue Mitarbeiter ab.
Daher plant Facebook mit dem „Willow Campus“ einen eigenen Stadtteil in direkter Nachbarschaft zum Firmengelände. Neben 1.500 Wohnungen sollen hier auch öffentliche Plätze, Geschäfte und Büros entstehen. 15 Prozent der Wohneinheiten sollen unter dem Marktwert angeboten werden. Und auch Google plant den Bau von 300 Wohnungen – in kostengünstiger, modularer Bauweise –, um der hohen Nachfrage gerecht zu werden.