André Müller von OTTO über den Umbruch in der Branche
Lange Zeit herrschte die Meinung, Möbel ließen sich nicht im Internet verkaufen. Inzwischen zeugen die Statistiken vom Gegenteil und rücken den Online-Handel stärker in den Fokus. Wir haben mit André Müller, Vice President Home & Living bei OTTO, über den Status quo und die Perspektiven dieses Wandels gesprochen.
André Müller von OTTO über den Wandel im Online-Möbelhandel
OTTO online umsatzstärker als Ikea
Der schwedische Möbelriese Ikea konnte seinen Onlineumsatz von 11 Prozent im Jahr 2019 auf 18 Prozent für 2020 steigern und zählt damit zu den führenden Unternehmen in diesem Bereich, liegt aber nach wie vor deutlich hinter OTTO. Was also macht OTTO im Online-Möbelhandel so erfolgreich? Und worin liegen die Herausforderungen?
Herr Müller, weshalb eignen sich Möbel so gut für den Online-Handel?
Möbel online zu shoppen wird in Deutschland immer beliebter – auch weil Anbieter wie OTTO, seit Jahren der größte Online-Möbelhändler Deutschlands, viel dafür getan haben. Wir arbeiten jeden Tag daran, das Online-Shopping-Erlebnis so angenehm und bequem wie möglich zu machen. Wir haben das Sortiment um ein Vielfaches ausgebaut, bieten einen sehr guten Liefer- und Aufbauservice und ordentliche, auch nachhaltige Produkte an.
Um den Distanzhandel im Home- & Living-Segment so attraktiv wie möglich zu machen, setzen wir auch auf technologische Hilfsmittel. Augmented Reality ist hier das Stichwort – mit unserer yourhome-App können User*innen viele unserer Möbel noch vor dem Kauf in ihren eigenen vier Wänden probestellen. Noch dazu verschicken wir auf Anfrage vorab kostenlose Stoff- und Produktmuster und bieten eine persönliche und professionelle Einrichtungsberatung am Telefon an. Kund*innen haben die Wahl, samstags in ein Möbelhaus am Stadtrand zu fahren oder ihr neues Bett bequem vom Sofa zu Hause aus zu bestellen und noch dazu liefern und aufbauen zu lassen – und immer mehr Konsument*innen entscheiden sich für die bequemere Variante.
Wo sehen Sie bei OTTO Ihren Wettbewerbsvorteil?
In der Kombination aus einem breiten Angebot, attraktiven Preisen, einem einzigartigen Service und der kostenlosen, persönlichen Einrichtungsberatung am Telefon. OTTO hat den Vorteil, im Bereich Home & Living auf eine jahrelange Expertise zurückgreifen zu können, aber natürlich müssen auch wir immer besser und innovativer werden. Daran arbeiten wir, jeden Tag. Dazu zähle ich zum Beispiel die ständige technologische Weiterentwicklung, auch in Sachen Augmented Reality, oder auch Kooperationen mit Influencer*innen und Designer*innen wie Lena Gercke, mit der OTTO gerade eine eigene Kollektion auf den Markt gebracht hat. Die Zusammenarbeit ist ein Schritt in die Richtung, eine jüngere Zielgruppe auf OTTO aufmerksam zu machen und ihr zu zeigen, wie das OTTO von heute tickt: modern und mehr und mehr innovativ.
Inwiefern bekommt der Kunde online einen besseren Service als im Möbelhaus? Was überzeugt ihn Ihrer Meinung nach?
Kennen Sie das? Samstagsmorgens stehen Sie in einem riesengroßen Möbelhaus und nirgendwo finden Sie jemanden, der*die Ihnen weiterhelfen kann? Das ist natürlich nicht immer und überall so, aber wenn, dann ist das frustrierend und kostbare Freizeit gefühlt sinnlos verschenkt. Die Erfahrung möchten wir unseren Kund*innen gerne ersparen. Sie können uns sieben Tage die Woche anrufen und sich persönlich beraten lassen oder sogar mit einem Klick einen Rückruf in den nächsten 30 Minuten anfordern. Wer sich dann entscheidet, bei uns zu kaufen, dem liefern wir sein neues Möbelstück in der Regel sogar bis zum Wunschort und bauen es direkt auf. Und das Verpackungsmaterial nehmen wir auch noch mit.
Wie haben Sie auf den Umbruch der Branche reagiert? Wie schnell haben Sie neue (Online)-Konzepte entwickelt und umgesetzt?
Wir beschäftigen uns seit 25 Jahren damit. Das ist kein Scherz, sondern das Alter von otto.de. Seitdem ist natürlich sehr viel passiert, wir haben uns massiv weiterentwickelt und sind ganz aktuell sogar in der größten Transformation der Unternehmensgeschichte von OTTO. So ist OTTO kein klassischer Händler mehr, sondern auf dem Weg, eine Shopping-Plattform zu werden, auf der auch Dritte ihr Sortiment anbieten können. Dabei liegt der Fokus auf dem Bereich Home & Living, eng verbunden mit dem Ziel, auch zukünftig Online-Marktführer im Möbelsegment zu bleiben.
Das ist natürlich ein hoher Anspruch, der Umbruch der Branche zum wachsenden Online-Anteil spielt uns dabei glücklicherweise in die Karten. Dafür sind wir dankbar, darauf ausruhen dürfen wir uns aber nicht. Am Ende entscheidet das möglichst perfekte Kund*innenerlebnis – und genau das wollen wir stetig verbessern. Mit den richten Produkten, den besten Services und Mitarbeiter*innen, die gerne für OTTO arbeiten.
Hat die Pandemie den Umbruch zusätzlich vorangetrieben/verstärkt?
Ich lese immer wieder, dass die Pandemie und ihre Auswirkungen die Verschiebung vom Stationär- zum Online-Handel im Möbelbereich um circa zwei Jahre beschleunigt haben soll. Damit einher geht für uns Onliner aber auch eine große Herausforderung: Wir müssen viel schneller deutlich mehr Bestellungen wuppen und den Service dabei auf dem gewohnt hohen Level halten. Das haben wir bei OTTO bisher im Wesentlichen ganz ordentlich gestemmt, was mich freut, aber keine Selbstverständlichkeit ist.
Wie schätzen Sie die Prognose für 2021 ein? Wohin kann sich der Online-Möbelhandel entwickeln?
Das hängt von vielen Faktoren ab – auch von der weiteren Entwicklung der Corona-Pandemie, die ich als Möbelexperte nicht seriös prognostizieren kann. Wovon ich aber ausgehe: Der Online-Möbelmarkt wird weiterwachsen – ähnlich wie das Möbelangebot auf der Plattform otto.de.
Die Zahlen: Aktuelle Entwicklungen und Prognosen
Laut dem Marktinstitut für Handelsforschung in Köln (IFH) und der BBE Handelsberatung könnte der Anteil des Onlinehandels am Gesamtumsatz der Branche von zehn Prozent im Jahr 2018 auf 33,8 Prozent im Jahr 2023 steigen. Auch die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC prognostiziert für diesen Zeitraum ein jährliches Wachstum um 8,4 Prozent, während der Gesamtumsatz der Branche stagniert.