Handwerk trifft industrielle Produktion
Die Liebe zum Detail liegt bei Thonet förmlich in der Luft. Das Unternehmen im hessischen Frankenberg stellt seit mehr als 200 Jahren Designklassiker nach alter Handwerkskunst her, darunter den Kaffeehausstuhl 214. Die Besinnung auf Tradition beginnt bei Thonet allerdings nicht erst bei der Herstellung. Auch bei seinen Zulieferern achtet das Unternehmen auf Qualität aus der Region und trifft damit genau den Nerv der Zeit.
Bis zu 147 einzelne Arbeitsschritte sind nötig, bis ein Stuhl fertig ist. Foto: Thonet
Armin Ludwig, Holzmechaniker bei Thonet
Wer die Produktionshallen von Thonet betritt, kann die Handwerkskunst des Unternehmens fast spüren. Es riecht nach Holz und Metall, überall wird gehämmert, es zischt und dampft. Die Tische, Stühle und Sessel, die hier gefertigt werden, entstehen zu großen Teilen immer noch in Handarbeit. Denn auch wenn moderne Fertigungstechnologien mittlerweile die traditionellen Arbeiten ergänzen können – ohne die menschliche Erfahrung geht es nicht. Das zeigt sich am Beispiel des bekannten Kaffeehausstuhls 214, der mit seinen geschwungenen Formen zum Designklassiker geworden ist. Holzmechaniker Armin Ludwig hat in 34 Berufsjahren in Frankenberg Tausenden von Bugholzstühlen ihre unverwechselbare Form gegeben hat.
Formen mit Fingerspitzengefühl
Beim Biegen von Massivholz ist viel Fingerspitzengefühl gefragt. Foto: Philipp Thonet
Das Verfahren erfordert hohe Sorgfalt, eigenspielte Handgriffe und synchrone Abläufe. Um das massive Buchen- und Eschenholz überhaupt erst biegen zu können, muss es zunächst für mehrere Stunden in einem Dampfkessel elastisch gemacht werden. Anschließend wird das Holz in speziellen Biegeformen fixiert und getrocknet. Zusammenarbeit ist hier das A und O: Teilweise müssen vier Bieger gemeinsam die Rückenlehnen des Bugholzsessels 209 biegen.
Was ist Bugholz?
Michael Thonet hat mit seiner Erfindung, Holz mithilfe von Wasserdampf und Muskelkraft in eine Form zu bringen, den Grundstein für das moderne Möbel gelegt. In den 1830er-Jahren experimentierte er zunächst mit Furnierstreifen, die in Leim gekocht wurden. Schließlich gelang ihm die Entwicklung der „Möbel aus massiv gebogenem Holz“. Inzwischen spricht man von Bugholz, wenn massiv gebogenes Holz in der Möbelherstellung eingesetzt wird.
Metall zum Schwingen bringen
Bevor der Stahlrohrstuhl fertig ist, müssen erst einmal die Funken fliegen. Foto: Thonet 85
Auch die Herstellung von Stahlrohrmöbeln erfordert Know-how über die Materialien und das Verfahren. Für Ikonen wie den Freischwinger S 64 von Marcel Breuer aus der Zeit des Bauhaus wird zum Beispiel eine besondere Legierung eines federharten Stahlrohrs benötigt. Nur so kann die Maßgenauigkeit und Materialfestigkeit gewährleistet werden – Voraussetzung dafür, dass der Schwingeffekt über einen langen Zeitraum erhalten bleibt und nicht im Laufe der Jahre ausleiert.
Für die Herstellung werden die Rohre nach dem Ablängen (Zurechtschneiden) zunächst entgratet, also von Splittern und scharfen Kanten befreit, und geschliffen. Anschließend erfolgt der Biegevorgang mit höchster Präzision über eine halbautomatische Maschine (CNC-Maschine). Wenn nötig, wird die Form danach noch einmal von Hand gerichtet, erneut geschliffen und poliert.
Die Oberflächenveredelung erfolgt aus Umweltschutzgründen in speziell qualifizierten Betrieben. Am Ende gelangen die Möbel wieder in die eigenen Produktionshallen, wo die Polster und die verschiedenen Garnituren aus Holz, Leder, Netzgewebe oder Rohrgeflecht montiert werden.
Auf der imm cologne 2019, 65 Jahre nach der ersten Teilnahme, präsentierte Thonet zum 200-jährigen Firmenjubiläum ein spannendes Standkonzept. Foto: Thonet
Tradition, den Trend trifft
Mit seinen kurzen Lieferketten trifft Thonet den Puls der Zeit. Trends wie die Deglobalisierung und Glokalisierung sorgen für mehr Nachfrage nach achtsam hergestellten Produkten. Einen weiteren Vorteil hat die Corona-Krise deutlich gezeigt: wirtschaftliche Unabhängigkeit. Weltweite Ereignisse können die globalisierte Wirtschaft ins Wanken bringen, wenn der Transport von Waren eingeschränkt wird. Mit der Besinnung auf eingespielte, lokale Kontakte bleibt Thonet davon unberührt.
Nicht nur mit seinen Zulieferern, auch mit der imm cologne hegt Thonet eine lange und enge Verbindung. Seit 1954 ist das Traditionsunternehmen Stammgast bei uns auf der Messe.